BLOW
Friedlicher Ungehorsam
Mixed Media - 2013 Ortweinschule Graz (Diplomarbeit)
(Fotos von Andreas Vormayr)
Vorwort zum Booklet
Es mag sein, dass Kaugummikauen eine bestimmte Lässigkeit begründet, unsichtbar im Mund, wiederkauend, variantenreich in seiner Formgebung dahinter, ephemer in einer Symbiose mit dem Speichel. Diesen Vorgang nützt Paydar in seiner Skulptur „Friedlicher Ungehorsam“ in der er sich selbst, wie so oft in seinen Arbeiten, inszeniert, losgelöst, gleichzeitig fixiert an eine letztendlichen Form, eine Kugel oder Blase, die vorgibt von vielleicht körpereigenen Gasen gefüllt, die Gravitationskräfte zu überwinden, jedoch am Plafond des Schulgebäudes, der architektonischen Begrenzung, hängen bleibt. Hier ist es auch deutlich die zähe Masse des Kaugummis, die den Künstler interessiert, als Attribut der menschlichen Existenz, dort als materialisierten Furz, da als wucherende Hirnmasse, die aus den Körperöffnungen austritt. Immer in der Farbe Magenta gefasst, die, noch bevor manipulativ agierende Werbepsychologinnen die marktstrategische Wirksamkeit dieser Colours erkannten, als Farbton handelsüblichen Kaubonbons Verwendung fand. In seiner Abschlussarbeit färbt Paydar auch den Körper, der leicht und hilflos an der Kugel hängt um mit diesen Farbton, um eine endgültige Symbiose zu beschreiben. Markus Wilfing, 2013, Graz |
Eine bedrohliche Arbeit
Da hängt einer nackt herum, im 3. Stock an der Decke der Meisterklasse Ortwein in Graz. Hat er sich aufgehängt? Nein, er war immer so ein aufgeblasener Kaugummikauender Sonderling. Glatzkopf mit auffallender Brille. Mal Woody Allen, mal stocksteif. Mal lustig, mal voll drüber intellektuell. Halb Iraner, halb Österreicher, nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht zu fassen – einfach Gummi. Ein Gumhead. Freundlich aber weary. Nein, aufgehängt hat er sich nicht, aber er hat sich verbunden mit seinem Atem, mit seiner Kraft und lässt sich nach oben ziehen. Er will ans Licht. Er hat genug. Ihm hilft’s. 2–3 Jahre sind der Dunkelheit, in Sicherheit im Luftschutzkeller. Das reicht. Da wird man doch verrückt! Platzangst bekommt er in engen Räumen, dunklen Bunkern, festen Mauern, tiefen Kellern. Und lass mich fliegen. Lasst mich fliegen! Lass mich fliegen! Lasst mich fortziehen! Mein Leben ist schön. Es geht mir mit jedem Tag in jeder Hinsicht besser! ... Und lasst mich fliegen! ... Durch meine rosarote Brille, durch meine rosarote Brille, durch meine ach so große rosarote Brille bitte ich Euch sehnlichst. Lasst mich in meine Welt, ich gehöre nicht mehr hierher, ich bin bereit. Widerstand ist zwecklos. Marko Manzoni, 2013, feldkich |
Gedankengang
Am Ende meiner Prozesshaften Ambitionen steht die Diplomarbeit "BLOW / Friedlicher Ungehorsam".
Ihr Konzeptuell-thematischer Strang verlief entlang eines intuitiv-schöpferischen Strömens, welches ich während des Herstellens der vorangegangenen Arbeiten verspürte. Den, nicht im Vorhinein gesuchten oder gar streng konzipierten Kern der Arbeit, bildet der omnipräsente und vielseitige Widerstand im Lebens- und Überlebensprozess. Widerstand kann aus meiner Sicht schöpferisch oder zerstörerisch wirken, gewollt oder gleich ungewollt erfolgen sowie Reibung verstärken oder vermindern.
In dieser Arbeit befasse ich mich natürlich nicht mit allen Facetten des Widerstandes, sondern fokussiere mich auf den sogenannten "weichen" Widerstand: die "sanfte" und hauchdünne Haut einer Kaugummikugel, die gegen die harte und scheinbar sicherheits-spendende Oberfläche der von Menschen gelegten Deckenziegeln drückt. Die Blase symbolisiert die lethargische Bequemlichkeit, das Ego und der verhüllende Mutterleib: aber wollen wir ewig da drinnen bleiben? Auf diesen Kampf kommt es an! Die Versuchung das Ego zu verlassen und die Angst vor dem Tod zu überwinden!
Wenn man das willkommen heißt, kann man nicht mehr sterben. Dazu muss man zum Träumer oder zur Träumerin werden; dabei erweist sich das träumerische, aber "gefahrvolle" Fliegen gegen die Konvention, das sanfte Drücken gegen den gesellschaftlichen Plafond nur auf den ersten Blick, als eine chancenlose und zum Scheitern verurteilte Kraft. Denn es stellt sich die Kernfrage: Platzt die Blase nun oder nicht? Wieso kann man überhaupt mit einer Kaugummiblase am Mund fliegen? Und kann man die Decke durchbrechen? Man kann sie zumindest nicht durchbrechen, wenn man dem inneren Drang zur Selbstveränderung bürgerlich-konservativ widersteht.
Liebe, aber verlasse dich nicht darauf das die Partnerin/der Partner auch morgen noch da ist. Erwarte nichts von ihr/ihm reduziere sie/ihn nicht zu einen Partnerin bzw. zu einen Partner; dann lebst du gefährlich! Mache dein morgen nicht zur etwas vorhersehbaren, erwarte nichts und sei offen für allem.
Arbeite, den Arbeit ist nötig; aber lass die Arbeit nicht zu deinen ganzen Lebensinhalt werden. Dein Lebensinhalt sollte das Spiel sein. Das Spiel sollte im Zentrum deines Lebens stehen; die Arbeit sollte nur ein Mittel sein um spielen zu können. Spielen bedeutet: etwas um seinen Selbstwillens zu tun.
Diese Augenblicke zu genießen, in denen du mit dem Tod, unmittelbar im Kontakt kommst; in denen der Tod fast zur Realität wird, führen zu einem gefährlichen Leben mit Freude.
Die mutigen stürzen sich Kopfüber ins Abenteuer, sie suchen bei jede Gelegenheit die Gefahr! Sie leben nicht der Lebensphilosophie der Versicherungsgesellschaft, sie leben nach der Lebensphilosophie der Bergsteiger, Fallschirmspringer und Surfer... und Sie surfen nicht nur auf dem äußeren Meeren, sie surfen auch auf ihren inneren Ozean. Sie bezwingen nicht nur den Gipfel der Alpen und die Himalayas sondern auch die Gipfel in ihren inneren. Verlerne nie die Kunst ein Risiko einzugehen, bleibe immer fähig etwas zu riskieren, und so oft sich eine Gelegenheit sich dazu bietet, lass sie dir nicht entgehen; dann wirst du nie zum Verlierer werden. Das Wagnis ist die einzige Garantie für die wahre Lebendigkeit.
Keyvan Paydar
2013, Graz
Am Ende meiner Prozesshaften Ambitionen steht die Diplomarbeit "BLOW / Friedlicher Ungehorsam".
Ihr Konzeptuell-thematischer Strang verlief entlang eines intuitiv-schöpferischen Strömens, welches ich während des Herstellens der vorangegangenen Arbeiten verspürte. Den, nicht im Vorhinein gesuchten oder gar streng konzipierten Kern der Arbeit, bildet der omnipräsente und vielseitige Widerstand im Lebens- und Überlebensprozess. Widerstand kann aus meiner Sicht schöpferisch oder zerstörerisch wirken, gewollt oder gleich ungewollt erfolgen sowie Reibung verstärken oder vermindern.
In dieser Arbeit befasse ich mich natürlich nicht mit allen Facetten des Widerstandes, sondern fokussiere mich auf den sogenannten "weichen" Widerstand: die "sanfte" und hauchdünne Haut einer Kaugummikugel, die gegen die harte und scheinbar sicherheits-spendende Oberfläche der von Menschen gelegten Deckenziegeln drückt. Die Blase symbolisiert die lethargische Bequemlichkeit, das Ego und der verhüllende Mutterleib: aber wollen wir ewig da drinnen bleiben? Auf diesen Kampf kommt es an! Die Versuchung das Ego zu verlassen und die Angst vor dem Tod zu überwinden!
Wenn man das willkommen heißt, kann man nicht mehr sterben. Dazu muss man zum Träumer oder zur Träumerin werden; dabei erweist sich das träumerische, aber "gefahrvolle" Fliegen gegen die Konvention, das sanfte Drücken gegen den gesellschaftlichen Plafond nur auf den ersten Blick, als eine chancenlose und zum Scheitern verurteilte Kraft. Denn es stellt sich die Kernfrage: Platzt die Blase nun oder nicht? Wieso kann man überhaupt mit einer Kaugummiblase am Mund fliegen? Und kann man die Decke durchbrechen? Man kann sie zumindest nicht durchbrechen, wenn man dem inneren Drang zur Selbstveränderung bürgerlich-konservativ widersteht.
Liebe, aber verlasse dich nicht darauf das die Partnerin/der Partner auch morgen noch da ist. Erwarte nichts von ihr/ihm reduziere sie/ihn nicht zu einen Partnerin bzw. zu einen Partner; dann lebst du gefährlich! Mache dein morgen nicht zur etwas vorhersehbaren, erwarte nichts und sei offen für allem.
Arbeite, den Arbeit ist nötig; aber lass die Arbeit nicht zu deinen ganzen Lebensinhalt werden. Dein Lebensinhalt sollte das Spiel sein. Das Spiel sollte im Zentrum deines Lebens stehen; die Arbeit sollte nur ein Mittel sein um spielen zu können. Spielen bedeutet: etwas um seinen Selbstwillens zu tun.
Diese Augenblicke zu genießen, in denen du mit dem Tod, unmittelbar im Kontakt kommst; in denen der Tod fast zur Realität wird, führen zu einem gefährlichen Leben mit Freude.
Die mutigen stürzen sich Kopfüber ins Abenteuer, sie suchen bei jede Gelegenheit die Gefahr! Sie leben nicht der Lebensphilosophie der Versicherungsgesellschaft, sie leben nach der Lebensphilosophie der Bergsteiger, Fallschirmspringer und Surfer... und Sie surfen nicht nur auf dem äußeren Meeren, sie surfen auch auf ihren inneren Ozean. Sie bezwingen nicht nur den Gipfel der Alpen und die Himalayas sondern auch die Gipfel in ihren inneren. Verlerne nie die Kunst ein Risiko einzugehen, bleibe immer fähig etwas zu riskieren, und so oft sich eine Gelegenheit sich dazu bietet, lass sie dir nicht entgehen; dann wirst du nie zum Verlierer werden. Das Wagnis ist die einzige Garantie für die wahre Lebendigkeit.
Keyvan Paydar
2013, Graz
AV-BABY Galerie im Schaumbad 2015
Foto: Peter Brandstätter
Foto: Peter Brandstätter